06.02.2021

Neue Studien bestätigen: Parodontitis ist Risikofaktor für schweren Corona-Verlauf

Wer an chronischen Atemwegserkrankungen, einer Herz-Kreislauferkrankung, Krebs, Bluthochdruck und Übergewicht leidet oder gelitten hat, gilt in der Schweiz bezüglich Corona als «besonders gefährdet». Denn: Vor allem bei diesen Personengruppen kann die Corona-Erkrankung schwer verlaufen.

Seit einiger Zeit vermutet die Fachwelt, dass auch Erkrankungen des Zahnhalteapparats einen Zusammenhang mit dem Verlauf einer Covid-19-Erkrankung hat. Nun bestätigen gleich zwei Studien, dass diese Vermutung zutrifft. Und wie!

Höhere Sterblichkeitsrate und schwerwiegenderer Verlauf

Die voneinander unabhängigen Studien kommen auf folgende Ergebnisse:

  • Coronainfizierte mit Parodontitis müssen durchschnittlich dreieinhalb Mal häufiger auf der Intensivstation behandelt werden als Personen ohne Parodontitis. Das zeigen die Resultate einer in Katar durchgeführten Studie *.

  • Sie müssen im Durchschnitt auch viereinhalb Mal häufiger beatmet werden.

  • Ausserdem sterben Corona-Infizierte mit Parodontitis fast neunmal häufiger an Corona als diejenigen ohne Parodontitis.

  • Personen mit schmerzendem oder blutendem Zahnfleisch wiederum sterben fast doppelt so oft an Corona als Personen mit intaktem Zahnfleisch. Zu diesem Schluss kommt eine britische Studie **.

Warum besteht zwischen Parodontitis und Corona ein Zusammenhang?

Dass Parodontitis einen Einfluss auf die Allgemeingesundheit hat, ist seit längerem kein Geheimnis mehr. So bestätigte die vor knapp 50 Jahren in der Schweiz gegründete World Heart Federation, dass Parodontitis das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen erhöht. Personen mit Parodontitis sind auch einem höheren Risiko ausgesetzt, an Bluthochdruck, Atemwegserkrankungen, Krebs und Diabetes zu erkranken.

Wie genau Erkrankungen des Zahnhalteapparats mit dem Schweregrad des Corona-Krankheitsverlaufs zusammenhängen, ist jedoch nicht abschliessend geklärt. Verschiedene Ursachen sind möglich:

Eine Erklärung lautet, dass die Parodontitis-Bakterien das Corona-Virus oder die Mundschleimhaut beziehungsweise die Anzahl der sogenannten ACE2-Rezeptoren im Mund und Rachen beeinflussen, an die sich das Virus anheftet. Dieser Infektionsweg würde die häufigeren schweren Verläufe bei Menschen erklären, die an chronischen systemischen Erkrankungen leiden wie zum Beispiel Diabetes, rheumatoide Arthritis oder Herz-Kreislauferkrankungen - alles Erkrankungen, die mit Parodontitis assoziiert sind.

Des weiteren können die Parodontitis-Bakterien über die Atemwege in die Lunge gelangen und dort zusätzliche Entzündungen auslösen. Eine Studie aus Taiwan belegt denn auch, dass eine intensive Parodontalbehandlung das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund einer Pneumonie (Lungenentzündung) um einen Drittel reduziert.

Die Hinweise häufen sich, dass hospitalisierte Covid-Patienten an bakteriellen, viralen und pilzartigen Ko-Infektionen leiden –Krankheitserreger, die sich auch im Parodontitis-Biofilm finden. Dessen bakterielles Ungleichgewicht könnte entsprechend ein ideales Umfeld für die Beförderung von Krankheitserregern der Atemwege darstellen. Und so Covid-19-Komplikationen – etwa eine Lungenentzündung – verursachen.

«Patienten sollten ihre Termine zur Routineuntersuchung und zum Check-up keinesfalls verschieben»

Was kann man aus den Studien lernen? Die Resultate zeigten «wie wichtig eine gute Mundhygiene und die Behandlung parodontaler Erkrankungen ist», schreiben die Autoren der Britischen Studie. Nicht zuletzt gebe es zahlreiche wissenschaftliche Beweise, dass eine gute Mundpflege im Spital das Risiko von Lungen- und Atemwegserkrankungen minimiert.

Aus der Katar-Studie wiederum schliesst die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie, Prof. Bettina Dannewitz: «Regelmässige zahnärztliche Kontrollen sollten auch und besonders in der Pandemiesituation durch die Patienten in Anspruch genommen werden.» So könne die Entstehung von Risikofaktoren für einen schweren COVID-Verlauf verhindert werden.

Die Bestimmung der oralen Immunkompetenz und die Behandlung des Mund- und Rachenraumes müssten in die Empfehlungen zur Corona-Prävention aufgenommen, fordern zwei deutsche Mediziner. Und: «Patienten sollten ihre Termine zur Routineuntersuchung und zum Check-up keinesfalls verschieben».


* Studienumfang: 586 Covid-19-Fälle, die mit Tod, Intensivstation oder Beatmung einhergingen.

** Studienumfang: 13'253 Personen, von denen 1’616 positiv, 11’637 negativ getestet wurden