Was tun bei Zahnempfindlichkeit?

Es ist 1. Dezember und alle warten auf Weihnachten. Und die Dentalhygienikerinnen darauf, dass viel mehr Personen als üblich eine Sitzung buchen weil ihre Zähne schmerzen!

Warum gerade vor Weihnachten? Weil Adventszeit auch "Mandarinli"-Zeit ist für die meisten Schweizer. Und wenn man ungewöhnlich viel Saures isst, die Zähne bei vielen Personen empfindlich reagieren. Dentalhygienikerin Marina Prokic erklärt im Interview, was die Gründe für diese Zahnempfindlichkeit sind und was sich dagegen tun lässt.

Frau Prokic, wie und auf was reagieren empfindliche Zähne?

Zahnempfindlichkeit ist eine vorübergehende Überreizung des Zahnnervs. Der Schmerz ist kurz und extrem schmerzhaft. Fast wie ein elektrischer Schlag. Meist spürt man ihn, wenn man Schokolade und andere Süsswaren isst, oder bei kalten oder heissen Getränken und Speisen. Ich selbst habe manchmal bereits Schmerzen, wenn ich nur mal kalte Luft durch den Mund einatme!

Trinkt man häufig Zitronenwasser und andere Obstsäfte oder isst ungewöhnlich viele Mandarinen, verstärkt dies oft den Schmerz. Zitrusfrüchte, Joghurt, Müesli, isotonische Getränke und andere saure Nahrungsmittel sind also ein Thema. Auch auf leichteste Berührungen reagieren Zähne teils empfindlich.

Leiden tatsächlich so viele Leute an empfindlichen Zähnen?

Ja, Zahnempfindlichkeit beschäftigt sehr viele – sowohl junge als auch alte Menschen. Ältere haben oft jahrelang mit sehr groben Zahnbürsten geputzt. Viele jüngere Personen putzen heute grundsätzlich die Zähne super gut. Teilweise machen sie fast zu viel. Aus Angst, ein Loch zu bekommen, schruppen sie regelrecht – unter Umständen mit der falschen Zahnputztechnik – obwohl die Zähne eigentlich kerngesund sind.

Was sind denn die Ursachen empfindlicher Zähne?

Die Grundlagen empfindlicher Zähne sind in der Regel Zahnfleischrückgang und freiliegende Zahnhälse. Das Dentin beziehungsweise Zahnbein ist dann nicht mehr durch den Zahnschmelz geschützt. Meist geht das Zahnfleisch durch aggressives und falsches Zähneputzen zurück. Manchmal sind die Ursachen von Zahnfleischrückgang aber auch komplexer.

Erosionen durch Säure, Zähneknirschen oder ein Aufeinanderpressen der Zähne können ebenfalls zu Zahnfleischrückgang oder zu keilförmigen Defekten am Zahnhals führen. Lokale Überbelastungen der Zähne sind eine weitere Ursache. Diese kommen durch eine Zahnfehlstellung oder ständiges Spielen mit Piercings zustande. Zungenpiercings können Frakturen an den Zähnen, Füllungen oder Kronen verursachen.

Wie kann ich Zahnempfindlichkeit konkret vorbeugen?

Primär sicher durch korrektes Zähneputzen. Mit weichen Zahnbürsten oder noch besser mit Schallzahnbürsten und der richtigen Zahnputztechnik – der korrekten Auf- und Abbewegung und immer gleich feinem Putzen.

Auch Stressabbau ist wichtig. Stress ist häufig der Grund für aggressives Putzen, Zähneknirschen und Pressen. Bei Zähneknirschen können eine Knirscherschiene und Physiotherapie helfen.

Reagiert man auf Saures, sollte man nicht zu viele Zitrusfrüchte konsumieren. Und auf keinen Fall sofort nach einer Mandarine die Zähne putzen.

Was lässt sich tun, wenn die Zähne bereits einmal so empfindlich reagiert haben?

Wenn man das erste Mal diesen Schmerz gespürt hat, ist in der Regel Zinnfluorid-Gel sehr wirksam. Damit massiert man während vier bis fünf Tagen jeweils nach dem Zähneputzen die Zähne. Wichtig ist, dass man danach nicht ausspült. Die Kur muss man unter Umständen mehrmals wiederholen.

Einigen Personen helfen Zahnpasten, die spezifisch auf Zahnempfindlichkeit ausgerichtet sind und Kaliumnitrat, Zinnfluorid oder Strontiumchlorid enthalten. Diese Inhaltsstoffe beruhigen den Zahn, bauen eine schützende Schicht auf oder verstopfen die offenen Dentinkanälchen - womit sie die Überempfindlichkeit mindern. Manchmal wirkt auch ein einfacher Lack, mit dem sich die Überempfindlichkeit durch den Zahnarzt desensibilisieren lässt.

Und was, wenn keine dieser Massnahmen wirkt?

Hilft wirklich nichts, kann man den Zahn mit einer Kunststofffüllung abdecken. Erst muss aber abgeklärt werden, ob der Zahnempfindlichkeit nicht ein anderes zahngesundheitliches Problem zugrunde liegt. Beispielsweise Karies oder Parodontitis.

Neben der Überempfindlichkeit kommt es dann zu weiteren Symptomen. Beispielsweise Schmerzen beim Kauen, lockeren Zähnen oder geschwollenem Zahnfleisch. Nach der Abklärung beschliessen Patient und Zahnarzt gemeinsam die individuell geeignete Behandlung. In einigen Fällen empfiehlt sich ein chirurgischer Eingriff mit Zahnfleischtransplantation zur Abdeckung der unschönen, schmerzhaften und freiliegenden Zahnhälse.

Das Interview führte Rahel Landolt, Redaktorin zahnarztzentrum.ch