Wurzelbehandlung Teil 2: Wie Misserfolge entstehen und vorgebeugt werden können

Nicht nur das Zahnfleisch, sondern auch das Wurzelkanalsystem unserer Zähne kann sich entzünden. Die Ursache ist meistens eine Karies, bei der die Bakterien bis zum Wurzelkanal vordringen.

Entzündete und auch bereits abgestorbene Wurzelkanäle müssen behandelt werden (mehr zum Wie, Wann und Warum von Wurzelbehandlungen in Teil 1 unserer Doppelfolge zum Thema). Ohne Behandlung können Fisteln und Abszesse entstehen oder man verliert den Zahn gleich ganz. Dies, weil die Karies immer tiefer ginge und für eine Behandlung irgendwann nicht mehr genügend Zahnhartsubstanz vorhanden wäre. 

Drei Backenzähne und ihr Innenleben, inklusive Wurzeln und Nerven.

Bei einer Wurzelbehandlung versucht der Zahnarzt also, die Wurzelkanäle zu reinigen und dabei möglichst viel von der Zahnsubstanz zu erhalten. Wie bei jeglichen medizinischen Eingriffen gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, dass dies gelingt. Die Erfolgschance liegt bei ungefähr 85 bis 95 Prozent – je nach Ausgangslage der untersuchten Fälle und Aufbau der Studie.

Es kann also vorkommen, dass eine Behandlung trotz aller Vorsicht nicht zum gewünschten Ergebnis führt beziehungsweise die Entzündung nicht abheilt oder nach einer gewissen Zeit zurückkommt. Hier erfahren Sie, wie Misserfolge passieren und am ehesten vorgebeugt werden können.

Was kann ich als Patient gegen Misserfolge tun?

Wir empfehlen folgende Massnahmen zur Vorsorge:

  • Lassen Sie Ihre Zähne regelmässig kontrollieren. Im Idealfall kann eine Karies frühzeitig entdeckt werden und durch eine ganz "normale" Füllung therapiert werden. Sind die Wurzelkanäle bereits entzündet oder abgestorben, beugt eine frühzeitige Behandlung grössere Komplikationen vor. 

  • Suchen Sie insbesondere bei komplexen Fällen einen Spezialisten für Endodontie auf. 

  • Achten Sie darauf, dass Ihr Zahnarzt mit einem OP-Mikroskop und auch sonst technisch gut ausgerüstet ist (unter anderem maschinelle, rotierende Wurzelkanalfeilen und Ultraschall-Instrumente). 

  • Schützen Sie Ihren Zahn zwischen den einzelnen Terminen einer Behandlung: Essen Sie nichts Hartes (etwa harte Brotkruste, zähes Steak oder Nüsse). Benutzen Sie zum Kauen möglichst wenig den behandelten Zahn. 

  • Investieren Sie in die qualitativ hochwertige und langfristige Versorgung nach der Wurzelbehandlung: Teilkronen (Onlays) und Kronen schützen den Zahn besser vor Frakturen als eine einfache (Kunststoff-)Füllung.

  • Lassen Sie Ihre Zähne (auch, aber insbesondere) nach der Wurzelbehandlung regelmässig kontrollieren.

Was sind die Gründe für mögliche Misserfolge?

Ungenügende Reinigung 

Beim Wurzelkanalsystem eines Zahnes handelt es sich um ein komplexes Hohlraumsystem. Dieses besteht aus Hauptkanälen, manchmal Seitenkanälen, Querverbindungen, sich vereinigenden oder sich aufteilenden Kanälen sowie unregelmässig geformten Hohlräumen.

Die Desinfektion stellt entsprechend eine grosse Herausforderung dar und verlangt grosse Sorgfalt. Ausserdem ist es so, dass kein zahnärztliches Hilfsmittel das Wurzelkanalsystem vollständig zu sterilisieren vermag: weder medikamentöse Einlagen (ein desinfizierendes Medikament, das zwischen den einzelnen Terminen im Kanalsystem bleibt) noch Spüllösungen noch Laser.

Schweres Auffinden oder schwerer Zugang zu den Wurzelkanälen

Nicht immer ist es sicher, dass der Zahnarzt bei der Behandlung alle Wurzelkanäle findet. Vergrösserungshilfen bieten dabei Unterstützung: Idealerweise hat der Zahnarzt ein OP-Mikroskop zur Hand, zumindest aber eine Lupenbrille.

Die Wurzelkanäle sind manchmal auch schwer beziehungsweise gar nicht zugänglich oder teilweise verschlossen – durch verkalkungsähnliche Zahnhartsubstanz oder sogenannte Pulpasteine (Dentikel). Mit einer guten technischen Ausstattung (siehe oben) können diese Fälle dennoch meist erfolgreich behandelt werden.

Nicht gefundene und daher unbehandelte Wurzelkanäle (die zusätzlich eventuell mit Bakterien oder Toxinen infiziert sind) können zu Schmerzen und Entzündungen im Kieferknochen führen. Das Risiko besteht, dass weitere Komplikationen auftreten. 

Undichte Versorgung 

Meist wichtiger als die Behandlung der Wurzelkanäle selbst ist, dass diese im Anschluss dicht verschlossen werden. Bei einer undichten Versorgung kann es passieren, dass sich ein desinfiziertes Wurzelkanalsystem erneut infiziert. 

Sekundärinfektionen sind allerdings noch schwieriger zu behandeln als erstmalige Infektionen, da die dabei beteiligten Keime hartnäckiger und oft desinfektionsresistent sind.

Wurzellängsfraktur

Vor, während oder auch nach einer Wurzelbehandlung kann es sein, dass die Wurzel längs bricht. Bei einem solchen Bruch (Fraktur) bleibt leider nichts anderes übrig als die Zahnentfernung. Zähne mit eher dünnen Wurzelwänden und viel Substanzverlust sind öfter von Brüchen oder auch Rissen betroffen. Mögliche Gründe für Risse und Brüche während der Behandlung sind: 

  • Unentdeckter Riss oder Bruch zu Beginn der Behandlung (Wurzellängsfrakturen und Risse oder Sprünge sind im Röntgenbild meistens nicht sichtbar).

  • Erweiterung des Wurzelkanals mit aggressiven, wenig flexiblen Instrumenten.

  • Hoher Druck beziehungsweise hohe Krafteinwirkung beim Verdichten der Wurzelfüllung.

  • Zähneknirschen (Bruxismus) oder hohe Kaukräfte im Seitenzahnbereich bei ungünstig versorgten Zähnen.

Fremdkörperreaktionen

Bei der Behandlung kann es passieren, dass Füllmaterial über die Wurzelspitze hinaus in den Bereich der Kieferknochen oder in die Nasennebenhöhlen gepresst wird. Etwa wenn der Zahnarzt zu viel Druck ausübt oder die Fülltechnik nicht optimal auf das Wurzelkanalsystem abgestimmt ist.

In manchen Fällen kommt es dann zu einer Fremdkörperreaktion: Das überpresste Material wird abgekapselt oder resorbiert. Unter Umständen muss es in einem weiteren chirurgischen Eingriff entfernt werden.

Füllmaterial in der Kieferhöhle sollte in der Regel entfernt werden, da es bei bestimmten Füllmaterialen zu einer Pilzinfektion kommen kann, einem sogenannten Aspergillom. zahnarztzentrum.ch verwendet allerdings unter anderem biokeramische Füllmaterialien. Diese weisen eine sehr gute Biokompatibilität vor, ermöglichen gar die Bildung von humanen Zellen an der Oberfläche und sind somit einzigartig in der Produktklasse (fördern die Wundheilung).

Biofilm auf der Wurzelaussenfläche

Bei einer Wurzelbehandlung arbeitet der Zahnarzt innerhalb des Wurzelkanalsystems. Mikroorganismen können sich jedoch nicht nur innerhalb des Wurzelkanalsystems, sondern auch auf der Aussenfläche der Wurzeln ansiedeln. Dieser sogenannte extraradikuläre Biofilm wird bei der Behandlung entsprechend nicht erreicht. Die Wurzelkanalinfektion kann somit nicht ausheilen. 

Als Alternative zur Zahnentfernung bleibt in diesem Fall nur noch die Entfernung der Wurzelspitzen. Hierbei besteht aber die Schwierigkeit, dass sich nicht feststellen lässt, ob sich die Bakterien tatsächlich auf der Wurzelaussenfläche befinden. Und wenn ja, bis wohin diese verstreut sind. 

Echte Zysten

In der Zahnmedizin unterscheidet man zwischen einer echten Zyste und dem sogenannten "apikalen Granulom" – der chronischen apikalen Parodontitis. Das apikale Granulom kommt viel häufiger vor als die echte Zyste und heilt nach einer Wurzelbehandlung aus, da es mit dem Wurzelkanalsystem verbunden ist. 

Echte Zysten heilen nicht aus. Dennoch wird auch bei Verdacht auf echte Zysten eine Wurzelbehandlung durchgeführt. Denn: Um sie vom apikalen Granulom unterscheiden zu können, muss Gewebe entfernt und im Labor untersucht werden. Dabei geht Knochen verloren – was man wenn irgend möglich verhindern möchte. 

Eine Gewebeprobe wird deshalb erst dann gemacht, wenn nach einer Wurzelbehandlung die Heilung ausbleibt. Dabei wird dann meist auch gleich die "verdächtige" echte Zyste entfernt und zur Sicherung der Diagnose ins Labor geschickt.

Periapikale Aktinomykose

Grund für eine chronische oder andauernde Entzündung der Wurzelspitzen ist manchmal auch eine sogenannte periapikale Aktinomykose (eine weitere Art extraradikulärer Infektion). 

Typischerweise bilden sich bei der Aktinomykose trotz Wurzelbehandlung wiederholt Fisteln. Fisteln sind eine Art Hohlwege – meist von der Wurzelspitze bis zur Zahnfleischoberfläche – über die Eiter abfliessen kann. Sowohl Diagnose wie auch Behandlung einer Aktinomykose erfolgen operativ – wobei zusätzlich Antibiotika eingenommen werden müssen. 

Und dennoch: Die allermeisten Behandlungen verlaufen erfolgreich!

Klingt abschreckend? Das ist verständlich. Auch nach Aufzählen all dieser Gründe gilt jedoch: 85 bis 95 Prozent der Wurzelbehandlungen verlaufen erfolgreich! A und O ist die regelmässige und frühzeitige Kontrolle beim Zahnarzt und der Dentalhygienikerin – sodass eine Behandlung gar nicht erst nötig wird, oder grössere Komplikationen abgewendet werden können.

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